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Gelesen: Zauber des Orients

Andreas Hülmann: Zauber des Orients
Kurs Ost: Auf den historischen Karawanenrouten zu den sagenumwobenen Städten entlang der Seidenstraße
(Highlights-Verlag 2010)

Vier Monate, 17.000 Kilometer, neun Staaten (wenn man die mitteleuropäischen Länder auf der Anreise unterschlägt). Grobe Richtung: Ost-Süd-Ost.

Andreas Hülsmann und seine Frau Claudia fahren mit zwei Motorrädern auf den Spuren Marco Polos (zum Teil) entlang der Seidenstraße gen Osten. Ihr eigentliches Ziel – den Baikalsee – erreichen Sie dabei nicht: zu früh bricht der Winter herein und führt zu der Entscheidung, ab Krasnojarsk die Richtung zu wechseln.
Das Abenteuer soll nicht zur Dummheit verkommen – und so wird der erste Teil der Heimreise mit der Transsibirischen Einsenbahn angetreten.

Hülsmann fesselt – die gut 220 Seiten des Taschenbuchs lassen sich mühelos in einem Rutsch durchlesen. Die Mischung ist perfekt gelungen: persönliche Gedanken und Sichtweisen, Beschreibung von Reiseerlebnissen mit Mensch und Landschaft und die Schilderung von Mühen mit Technik und Bürokratie fügen sich zu einem spannenden und unterhaltsamen Ganzen.

Grenzübertritte haben offenbar bleibende Erinnerungen im Gedächtnis des Autors hinterlassen: Bürokratie, Willkür, Bestechlichkeit, Neugier und diverse andere Eigenarten der Zöllner werden immer wieder unter die Lupe genommen. Trotzdem bleibt Raum für andere Erlebnisse mit Mensch und Land.

Das Buch polarisiert.
Bei den einen wird der "Travelbug" (wie der Autor den Auslöser des Reisefiebers nennt) gefüttert: Aufbruch lieber heute als morgen, hin zu den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, die noch abseits der üblichen Touristenpfade liegen. Abenteuer pur mit Menschen voller Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit, die eigentlich nichts zu verschenken haben.
Bei den anderen wird der "Travelbug" in seine Schranken verwiesen: Grenzübertritte, die Stunden dauern und bei denen man der Willkür der Grenzer ausgeliefert ist. Alle paar Kilometer polizeiliche Kontrollen. Straßen, die diesen Namen nicht verdient haben, und Wege, auf denen wohl schon einmal jemand gefahren sein soll – damals. Erfolg und Weiterkommen nur mit einem gerüttelt Maß an Unverfrorenheit, lautstarker Diskussionsfreude, Trinkfestigkeit und zumindest ein paar einschlägigen russischen Vokabeln – Flüche und Verwünschungen ausdrücklich eingeschlossen.

Gelesen: Jupiters Fahrt

Ted Simon: Jupiters Fahrt
Mit dem Motorrad um die Welt
(rororo 2009)

Man darf sich nicht täuschen lassen: das Manuskript ist alt. Die von mir gelesene Auflage ist die zwölfte (!) im rororo-Verlag. Im englischen Original ist das Buch erstmals 1979 bei Hamish Hamilton erschienen. Das Buch kann man also offenbar getrost als "Klassiker" bezeichnen.

1973 macht sich der damals 42jährige Ted Simon mit einem Motorrad der britischen Marke Triumph auf, die Welt zu erkunden. In den folgenden vier Jahren wird er ca. 100.000 km zurücklegen und dabei 53 Länder besuchen. Seine Reise führt ihn durch Europa und Afrika, Süd-, Mittel- und kleine Teile Nord-Amerikas. Im Bogen über Australien und einige Länder Asiens geht es dann wieder zurück nach Großbritannien.

Simon erzählt von seinen ganz persönlichen Erlebnissen, Gedanken und Sichtweisen, seinen Ängsten, der immer wiederkehrenden Frage nach dem Warum, seinen Gedanken und Beobachtungen. Der Leser erfährt, wie ihn diese Reise zum Teil verändert, welche Werte in den Hintergrund treten und neuen Platz machen.

Zum Teil treten dabei die Reiseroute, die Landschaft, Schwierigkeiten bei Grenzübertritten und sonstige Dinge, die man klassischer Weise in Reiseberichten erwartet, ein wenig in den Hintergrund. Aber ich habe all das nicht vermisst.

Das Buch ist ganz sicher kein Reiseführer und keine Planungsvorlage für ähnliche Unternehmungen.
Es ist eine gut gelungene Beobachtung der eigenen Gefühle, Ängste und Hoffnungen eines Weltreisenden, der auf vielfältige Weise in Kontakt kommt mit Menschen und Kulturen, aber auch politischen und bürokratischen Schwierigkeiten.

Willst Du Fleisch?

Wenn Dich Dein schweizer Gastgeber morgens um sieben fragt: "Willst Du Fleisch?" denkt er nicht, dass er Dir gerade mit einem blutigen Steak eine Freude machen kann.
Er hat auch durchaus nicht die Vorstellung, dass Du löwengleich große Stücke aus einem toten Tier reißen und diese genüsslich verspeisen möchtest.

Nein, er will einfach nur wissen, ob Du etwas Wurst oder Schinken auf Dein Brot haben möchtest.

Erklär-Bär: Reifen

In einer Informationsbroschüre einer Motorradzeitschrft zum Thema "Reifen" heißt es:

Die Haftreibung zwischen Reifen und Straße wird als Grip bezeichnet und ist bei allen Fahrsituationen unverzichtbar.

"Ach was!" dachte ich.
"Welch eine bahnbrechende neue Erkenntnis!"
Besonders der Teil mit 'unverzichtbar' ist ja wirklich erhellend!

"Ihr Hohlbirnen! Für wie bescheuert haltet ihr eigentlich eure Leser?" ging so durch meinen Kopf und ich war war d'rauf und d'ran, eine lange Ereiferung darüber zu schreiben, wie verschaukelt ich mir vorkomme, wenn ich so etwas lesen muss.

OK, streng genommen muss ich es ja nicht lesen.

Aber:
Als regelmäßiger Leser einer bestimmten Zeitschrift gehe ich schon so ein bisschen davon aus, dass ich in diesem Journal (und auch in all seinen Sonderausgaben) gezielt angesprochen werde:
Ein Mindestmaß an fachspezifischer Vorbildung sollte die Redaktion voraussetzen können.
"Zielgruppe" lautet da im Marketing wohl das Zauberwort.

Aber dann überlegte ich mir: "Nee, ist ja gut – kann man ja mal sagen. Vielleicht ist das ja wirklich nicht jedem klar?"

Ich finde es zwar höchst merkwürdig (und gefährlich), wenn man über die prinzipiellem Funktionweisen, Grenzen und Gefahren seiner Fahrzeuge so rein gar nichts weiß, aber vielleicht bin ich da auch ein wenig radikal oder gar altmodisch.

Aber wie auch immer: ich habe ja eine Schwäche für Erklär-Bären.
Ich liebe und verehre sie und eifere ihnen nach.

Und wenn der Erklär-Bär meint, es sei nötig, seiner Zielgruppe etwas über die grundlegende Funktionsweise von Reifen zu erzählen, dann lausche ich ihm hingerissen.
Aber … lieber Erklär-Bär … gibt mir dann auch mehr Futter und quäle mich mit etwas mehr Details!
Ist ja nicht schlimm, wenn das nur wenige "Experten" interessiert. Ich fühle mich lieber überfordert als unterfordert.